
Heute vor 40 Jahren…
…reiste eine unsichere, schüchterne junge Frau (damals Fräulein) an die Lenk im schönen Simmental. Worauf hatte sie sich bloss eingelassen?
Wie viele junge Menschen, hatte ich keinen Plan was aus mir werden sollte. Beim Berufsinformationszentrum kam irgendetwas mit Menschen heraus. «Machen Sie doch das KV – eine gute Grundlage» hiess es. So richtig helfen konnten mir meine Eltern auch nicht. Mein Vater Italiener und meine Mutter Tessinerin (mit einem EFZ als Strickerin), kannten sie sich in der Bildungslandschaft nicht aus. Die Beiden lernten sich in der damaligen Generaldirektion der SBB kennen. Sie arbeitete als Datatypistin und er als Elektro-Hilfsmonteur.
So war die Lösung für meinen Vater klar: «Vai in ferrovia, che è un posto sicuro.» Aha gut, dann so. Echte Motiviation sieht anders aus. Die SBB konnten damals auswählen aus vielen jungen Kandidatinnen und Kandidaten.
Die Aufnahmeprüfung gelang mir erst beim zweiten Anlauf. Deshalb schreiben wir das Jahr 1985 im April, als ich die erwähnte Reise antrat.
Ein Glückstreffer! Vom ersten Tag an an der Lenk mit den zwölf anderen tollen Stations-Lernenden (Lehrtöchter) und unserem feinen Klassenlehrer fühlte ich mich wohl. Die Woche ging im Flug vorbei und schon fand ich mich an meinem ersten Lehrbahnhof wieder – in Thörishaus.
Gekleidet in einem hellblauen, engen Schurz (Stretch gab es damals noch nicht) der so gar nicht mit der eindrücklichen Uniformen der Bahnbetriebsdisponenten mithalten konnte. Ordnung muss schliesslich sein, wir als Bahnbetriebssekretärinnen waren halt nur für den Innendienst zuständig. Da musste keine Kelle geschwungen, keine Weiche umgestellt und auch nichts gekoppelt werden. Das gefährlichste - dem Ungetüm begegnete ich erst in meinem nächsten Bahnhof - war die Billettdruckmaschine, Pautze genannt. Da konnte man sich durchaus beim Billettdrucken die Finger einklemmen.
Ich durfte Billette drucken und schreiben, Schulreisen organisieren, Auslandreisen planen, Geld wechseln, Pferde verladen, Militärtauben freilassen und beobachten, Lernende ausbilden, abrechnen, Gepäck verschicken, tüfteln, koordinieren, Züge reservieren, Güter versenden, den Telefax bedienen, das Ganze auf Computersysteme ummodeln, mit Fahrdienstleitern, Gepäck- und Rangierarbeitern zusammenarbeiten. So viele bleibende Erinnerungen und es kam noch mehr, denn die SBB waren ein spannender Betrieb. Ich durfte…
…im SBB Ausbildungszentrum in der Hotellerie und Seminarbuchung arbeiten, die Mediathek bewirtschaften, den Waldlehrpfad und eine neue Werbebroschüre gestalten
…die Lehrabschlussprüfungen auf Computer bereithalten und mit den Fachlehrer:innen fachsimpeln
…die Zugchef-Ausbildung neu konzipieren und mit den Oberzugführern aus der ganzen Schweiz die künftigen Zugchefs und Zugchefinnen ausbilden
…und bei SBB Cargo die Personalentwicklung mitgestalten
Vor Rund zwanzig Jahre, 2004, ging meine Reise bei den SBB zu Ende.
Heute bin ich wieder unterwegs an die Lenk und feiere mit meinen damaligen Stationslehrtöchterfreundinnen 40 Jahre Lehrbeginn. Merci für einen schönen Start ins Berufsleben und für viele bleibenden Erinnerungen.